In diesem Blogartikel geht es darum, wie meine Heilungsgeschichte begann und warum mir die kognitive Psychotherapie nicht bei der Behandlung von Depressionen geholfen hat. Außerdem schreibe ich darüber, wie das Wissen über Trauma uns auf den Heilungsweg bringen kann.
Wie alles anfing
Mit 21 Jahren habe ich mich das erste Mal intensiv mit meiner Geschichte und meiner Kindheit und mit der Rolle, die ich in meiner Familie eingenommen habe, beschäftigt.
Da war ich mitten im Bachelorstudium der Sozialwissenschaften in meinem 16 m2 Zimmer in einer Studentenwohnanlage im Studentenviertel Bilk in Düsseldorf.
Ich bin zur “Vertrauensdozentin” gegangen, weil es mir so schlecht ging, ich hatte keine Motivation, war super erschöpft und es fiel mir schwer, aufzustehen. Sie sagte mir, dass ich wahrscheinlich eine Depression habe. Und da fing alles an…
Ich erinnerte mich an die Scham, die ich empfing und wollte niemandem davon erzählen. Aber ich wollte ab dem Zeitpunkt herausfinden, was mit mir passiert ist. Bevor alles eingebrochen ist, habe ich im “Auto-Modus” das gemacht, was von mir erwartet wurde. Ich hatte ein 1,4 Abi, spielte Klavier und Volleyball, hatte gute Noten im Studium und einen scheinbar recht großen Freundeskreis.
Also im Außen hatte ich bis dahin gut funktioniert und ich war recht “erfolgreich” im System. Auch heute noch werden Kinder im (Schul)system dafür belohnt, sich anzupassen. Doch das hat seine Kosten aufgrund der Unterdrückung der eigenen Authentizität.
Dies hat sich bei mir später gezeigt durch eine Leere in mir, durch ein “Nichtsfühlen”, eine unglaubliche Schwere, die mich nicht aufstehen ließ. Ich habe mich von mir selbst abgeschnitten gefühlt und von meiner Umgebung um mich herum.
Es folgten mehrere Jahre des Auf und Abs, ich hatte in den Wintermonaten immer wieder depressive Phasen, die sich in den Sommermonaten mit Hochphasen abwechselten. Ich hatte mehrere ambulante Verhaltenstherapien und bekam Antidepressiva und als ich dann aber eine erneute depressive Phase hatte, ging ich für 6 Monate in eine Psychiatrie, auf die “Depressionsstation”. Auch dort war die Zeit geprägt von schweren Antidepressiva und Therapiestunden bei einer Verhaltenstherapeutin und dem Chefarzt, der mir lediglich trockene Theorien über mein “Leistungsdenken” näher bringen wollte.
Über die kognitive Verhaltenstherapie
Doch jetzt bin ich 30 und kann rückblickend sagen, dass niemand – weder Psychotherapeuten, Psychiater noch der Chefarzt der Psychiatrie mir geholfen haben. Denn niemand hat die Ursachen meines Leidens herausgefunden bzw. therapiert. Die Therapien waren auf eine kognitive Verhaltenstherapie ausgelegt und ich habe einige gute Tools an die Hand bekommen. Diese waren auf Achtsamkeit der Gedanken und Gefühle ausgelegt. Es ging zum Beispiel um die Bewusstwerdung “Du bist nicht dein Gedanke” oder “Du fühlst Traurigkeit, aber du bist nicht die Traurigkeit”. Oder mir wurde die “5 – 4 -3 -2 -1 Methode” gezeigt, bei der es darum geht, seine Aufmerksamkeit auf seine Sinne zu lenken, um im Hier und Jetzt zu sein: Also auf 5 Dinge, die ich sehe, 5 Dinge, die ich höre, 5 Dinge, die ich spüre und das gleiche dann mit 4 Dingen, die ich sehe, höre und spüre und dann mit 3 und so weiter. Dies ist hilfreich für den Moment, um innere Anspannung und Stress zu reduzieren.
“Mit der kognitiven Therapie fand eine wichtige Variante von Achtsamkeit Eingang in die klinische psychologische Praxis, die Klienten hilft, ihr Denken zu überprüfen und ihnen zeigt, wie sie ihre negativen Denkmuster wahrnehmen und durchbrechen können. Die Kognitive Therapie befasst sich allerdings nicht mit einer gestörten Balance im Nervensystem, die zu kognitiven Verzerrungen führt. Vor allem für die Aufarbeitung früher Traumen ist die Kognitive Therapie von daher nur minimal wirksam.” (aus dem Buch “Entwicklungstrauma heilen”, Laurence Heller, Aline La Pierre, S. 43)
Der Schlüssel für (meine) Heilung liegt in der Behandlung von Bindungstrauma/Entwicklungstrauma
In ihrem Buch “Trauma und Beziehungen” schreibt Verena König, dass sich das Ausmaß eines Traumas in unseren Beziehungen widerspiegelt.
Dies habe ich selbst erfahren, da meine letzte Beziehung sehr traumatisch abgelaufen ist. Nach der Trennung ist mir klar geworden, dass ich ein Bindungstrauma habe und dies die Ursache für meine früheren Depressionen war. (Den Post über “Wege aus einer toxischen Beziehung” dazu findest du hier). Die Ursachen meines Leidens liegt in einem dysregulierten Nervensystem.
Aus heutiger Sicht weiß ich, dass die Depression ein Ausdruck meines Nervensystems ist, welches in den “Shutdown” gegangen ist, um sich selbst vor zu viel Stress und Überforderung zu schützen. Dies ist also eine Überlebensfunktion des Körpers, wenn die anderen Möglichkeiten aus “Fight” und “Flight” nicht möglich sind. Es handelt sich um Überlebensmechanismen, die wir in der Kindheit unbewusst angewendet haben, wenn wir nicht in einem sicheren Umfeld aufgewachsen sind. Dazu zählen z.B. Eltern, die gewalttätig sind, aber auch emotional nicht verfügbare Eltern, die aufgrund eigener Trauma nicht angemessen auf die Bedürfnisse des Kindes reagieren können. Das Nervensystem reagiert im Falle des Überlebens autonom und hat die Möglichkeiten Flucht, Kampf und Erstarrung (“totstellen” also Freeze/Shutdown). Gerade als Kind kann man nicht fliehen oder kämpfen und ist auf die Bindung zum Elternteil angewiesen und passt sich dementsprechend an.
Diese Anpassungsleistung rettet in der Kindheit das Leben, führt aber im erwachsenen Alter zu Problemen, da wir uns von uns selbst und unseren Bedürfnissen abgeschnitten haben. Das führte dann in meinem Fall zu Depressionen. Mehr zum Thema Trauma findest du in diesem Artikel.
Die Ursachen von Depressionen sind natürlich unterschiedlich, aber ich wünsche jedem, nicht in dem Gesundheitssystem stecken zu bleiben. Denn meiner Erfahrung nach sind die von der Krankenkasse bezahlten Psychotherapien vor allem darauf ausgelegt, die Patienten wieder “stabil” für den Arbeitsmarkt zu machen. Doch dann sind wir weit entfernt davon, uns auf den Weg der Heilung zu machen und wirklich tief an der Wurzel zu heilen.
“Im Hinblick auf die Geschichte ist Psychotherapie entwickelt worden, um Menschen wieder arbeitsfähig zu bekommen. Deshalb wird sie auch von den Krankenkassen bezahlt. Nicht weil sie wollen, dass wir tief mit uns in Verbundenheit kommen und heilen, sondern arbeiten gehen. “
Damit Charf im Interview mit Verena König (https://www.youtube.com/watch?v=vDX_1fEPkjw).
Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen auf den Weg der wirklichen Heilung machen und das Wissen über Trauma weiter verbreitet wird.
Schreibe mir gerne in den Kommentaren, welche Erfahrungen du mit Psychotherapie gemacht hast, welche du ausprobiert hast und was dir am meisten geholfen hat 🙂