“Ein chronisch überaktiviertes Bindungssystem kann uns so sehr von uns selbst entfremden, dass wir bereit sind, für etwas “Liebe” fast alles zu opfern.” (Trauma und Beziehungen, Verena König, S.110).
Was ist eine toxische Beziehung?
Eine toxische, also ungesunde Beziehung ist für mich, wenn der eine Partner in irgendeiner Art und Weise Kontrolle über die andere Person ausübt. Dies kann durch psychischen und/oder physischen Missbrauch geschehen und hat etwas mit Bindungstraumatisierungen auf beiden Seiten zu tun.
Toxische Beziehungen und Bindungstrauma ans Licht bringen
Ich war selbst vier Jahre in einer toxischen Beziehung aufgrund meines Bindungstraumas und ich bin aber dem Universum sei Dank an einem Punkt aufgewacht und konnte mich aus der Beziehung befreien. Dadurch hat sich für mich eine noch tiefere Heilungsphase angeschlossen.
Dies wünsche ich allen, die eine missbräuchliche Beziehung erleben oder erlebt haben. Deshalb gebe ich hier meine Erfahrungen weiter, damit andere vielleicht früher ähnliche Trauma entdecken und dies nicht erst durch eine missbräuchliche Beziehung passieren muss. Psychische Gewalt bleibt oft unentdeckt und Betroffene leiden im Stillen, deshalb ist ein öffentliches Sprechen über das Thema auch so wichtig. Es geht mir hier nicht um Schuldzuweisungen, oder um Mitleid zu erwecken, sondern es geht mir hier um das Aufdecken dieser Dynamiken, für meine eigene Heilung und als Beitrag für die Heilung anderer.
An dieser Stelle empfehle ich nochmals das Buch “Trauma und Beziehungen” von Verena König. Ich werde hier nur eine Auswahl an Merkmalen darstellen, die ich selbst erlebt habe.
Merkmale einer toxischen Beziehung sind unter anderem:
Lovebombing
Am Anfang der Beziehung erscheint alles noch sehr romantisch und das Opfer wird “umgarnt” vom Gegenüber. So wie Verena König auch sagt, werden Urbedürfnisse nach Liebe und Sicherheit scheinbar erfüllt, da sich der Täter am Anfang oft charmant und einfühlsam zeigt.
Gaslighting
„Häufig manipulieren Menschen, die wenig Empathie besitzen und sich selbst über andere stellen. Soziopathische und narzisstische Persönlichkeiten neigen eher zum Gaslighten. Das Ziel der manipulierenden Person ist es, die Gedanken, Gefühle und Handlungen des Opfers zu kontrollieren. Das tut sie, indem sie ihr Opfer durch gezielte Desinformation, Verdrehungen der Tatsachen oder Unterstellungen verunsichert und an sich selbst zweifeln lässt.“
Quelle: https://www.aok.de
Und dazu gehört auch das gezielte Absprechen der Wahrnehmung eigener Gefühle ( Dazu zählen Sätze wie „Das, was du fühlst, ist falsch“ oder “Das habe ich so gar nicht gesagt, du übertreibst”). Dadurch stellt man als Opfer seine eigenen Gefühle in Frage und das nagt enorm am eigenen Selbstwert.
Kontrolle und Besitzansprüche
Ein weiteres Merkmal ist die Kontrolle, z.B. dein Partner/deine Partnerin kontrolliert, wohin du gehst/mit wem du dich triffst und das kann vor allem am Anfang missinterpretiert werden als Fürsorge und Schutz. Ein Satz hat mich besonders schockiert, als klar wurde, dass unsere Beziehung vorbei ist. “Du benimmst dich wie eine freie Frau”- also eine Frau , die nicht in einer Beziehung ist und ich war so schockiert, weil ich so lange nicht wusste, dass ich gar nicht frei war.
Future Faking
Dies ist ein Merkmal, dass ich selbst auch kenne, nämlich dass permanent falsche Versprechungen über die Zukunft gemacht werden, weil dies Sehnsüchte und Hoffnungen aufrecht erhält. Dies trägt dazu bei, dass eventuelle Trennungsabsichten torpediert werden.
Wege aus der toxischen Beziehung und Heilung
Meiner Meinung nach ist es keine toxische Beziehung, wenn beide Partner dazu bereit sind, an eigene Muster zu arbeiten und ein gewisses Maß an Selbstreflektion und Bewusstsein über eigene Verhaltensweisen besitzen. Doch sobald ein Gefälle besteht und der Partner nicht in der Lage zur Selbstreflektion ist und weiterhin missbräuchliche Strategien anwendet, um die Beziehung aufrecht zu erhalten, ist nur eine Trennung möglich. Sie ist sogar dringend notwendig, wenn man sich aus diesem Traumastrudel befreien will.
In der spirituellen Szene hört man immer wieder den Satz “Du bist kein Opfer deiner Lebensumstände, du erschaffst dir deine Realität”. Ich glaube auch an unsere Kraft und dass wir nicht aus Zufall in bestimmte Lebensumstände geraten, doch in diesem Fall finde ich es wichtig von Täter und Opfer zu sprechen, um ganz klar die missbräuchlichen Dynamiken und die Rollenverteilung aufzuzeigen.
Leider erkennen wenige Menschen von außen diese Mechanismen. Doch die Leute, die erkennen, dass da etwas falsch läuft, werden es schwer haben, dem Opfer zu helfen, geschweige denn aus der Beziehung zu befreien. Aufgrund der Manipulationen wird der Täter alle kritischen Stimmen abweisen, mit Argumenten wie z.B. “Die anderen wollen nur unsere Beziehung zerstören, weil sie eifersüchtig sind.” Dadurch erhält der Täter die “Bubble” für das Opfer aufrecht, um den Schein zu wahren, dass mit der Beziehung schon alles in Ordnung ist und er nur das Beste will.
Ein Tipp für Angehörige, Freunde oder Bekannte: Die einzige Möglichkeit, mit dem Opfer weiterhin in Kontakt bleiben zu können, ist deutlich zu machen, dass man auf seiner Seite steht. Also z.B. zu sagen: “Ich bin FÜR DICH, ich bin nicht gegen die Beziehung.” So entschärft sich etwas die Zwicklage, weil sich das Opfer in der Situation wahrscheinlich aufgrund der Abhängigkeit für den Partner entscheiden würde und gegen die Stimmen von außen.
Falls du selbst in so einer Lage steckst, möchte ich dir sagen: Vielleicht ist Drama für dich das “Normal”. Mit Drama meine ich psychische und/oder physische Gewalt, aber auch ständige Streitereien, Tränenausbrüche, Verzweiflung,… Höchstwahrscheinlich ist das heutige Drama in deinem Leben aber eine Wiederholung vom nicht verarbeiteten Drama deiner Kindheit.
Das Leben heute ist NICHT voller Drama und Leid. Dein heutiges Leben kann anders aussehen, denn Du hast ein freies und glückliches Leben verdient. Es ist keine Liebe, wenn die Beziehung immer wieder Schmerz hervorruft. Dies sind Traumafolgen und du kannst sie heilen für ein befreites Leben ohne Drama und Leid.
Und wenn du erkannt hast, wie ungesund die Beziehung ist, die du führst, kann es am Anfang schwer sein, sich aus der Beziehung zu befreien, da das Risiko besteht, kein sicheres soziales Netzwerk zu haben, das unterstützt. Es kann bei dir aber auch anders sein und es wäre natürlich schön, wenn du dich Freunden anvertrauen und um Hilfe bitten kannst (auch therapeutisch, wenn du die Gelegenheit dazu hast). Aber auch ohne soziale Unterstützung von außen ist es möglich, den Heilungsweg zu gehen, das sage ich aus eigener Erfahrung. Wenn du die Schritte gehst in Richtung eines selbst bestimmten Leben, wird es immer Menschen geben, die dich in irgendeiner Weise unterstützen. Meiner Erfahrung nach ist das Leben so fair, man wird belohnt, wenn man sich in die richtige Richtung begibt, auch wenn es schmerzhaft ist.
Wenn du nach der Trennung Heilungsschritte gehen möchtest, gibt es natürlich mehrere Wege, aber ich empfehle eine Traumatherapie, die den Körper mit einbezieht. Infos und Inspirationen zum Thema Trauma findest du hier.
Was mir persönlich am meisten geholfen hat
Ich habe mir nach meiner Trennung viel Zeit gegeben. Zeit, um das zu fühlen, was ich so lange unterdrückt habe. Ich habe extrem viel getrauert, sehr viel geweint, oft kam auch Wut hoch.
Höchstwahrscheinlich hat mir auch das Meer geholfen und endlose Stunden am Strand zu liegen und nichts zu machen.
Aber vor allem geholfen hat mir, das alles da sein zu lassen. Mich nicht abzulenken, mich nicht in Drogen zu verlieren (dazu zähle ich auch Social Media) oder in oberflächlichen Kontakten und Aktivitäten. Ich habe mir auch Hilfe geholt und hatte einige Therapie-Sitzungen.
Die Einsamkeit auszuhalten. Mit mir zu sein. Zu mir zu stehen. Musik zu machen. Mich langsam zu trauen, wieder zu singen. Erst für mich und dann Stück für Stück auch für andere.
Und mich so langsam, Schritt für Schritt wieder aus meinem Loch rauszubuddeln. Macht schon manchmal Sinn, dass mein Sternzeichen Krebs ist ;-).
Also ich habe versucht, mich nicht komplett zu isolieren, sondern mich auch vereinzelt wieder Menschen anzuvertrauen. Manchmal den falschen, aber oft den richtigen 🙂
Und dann auch wieder einem Partner, mit dem ich gesunde Beziehungsdynamiken kennenlernen darf.


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